Vor 30 Jahren: Comptons Most Wanted – Music To Driveby (1992)

Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich noch, wie ich mir Music To Driveby 1992 auf CD besorgte. Nicht in irgendeinem schummrigen Untergrund-Shop zwischen Fat Caps und Fanzines, sondern nach der Schule im Kaufhaus Hertie in der Spandauer Altstadt. Lange überlegen musste ich als Comptons Most Wanted-Fan nicht – obwohl, irgendwie schon, denn es handelte sich um die Europressung ohne den eigentlich obligatorischen Parental-Advisory-Aufdruck (siehe oben) auf dem Cover. Stimmte hier was nicht? Handelte es sich gar um eine Clean Version?

Diese Sorge war unbegründet, was sich aber erst später herausstellte – die CD trug ich den Rest des Tages in meinem Rucksack rum, weil ich noch bei einem Kumpel Computer zocken war. Also landete das Teil abends in meinem Player. Und BOOOM, haute mich direkt vom Hocker. Ich war schon länger ein CMW-Fan, Growin‘ Up In The Hood vom Boyz N The Hood-Soundtrack war zum damaligen Zeitpunkt einer meiner Lieblingssongs (und ist es bis heute). Von Music To Driveby kannte ich bis dahin nur den Quasi-Nachfolger Hood Took Me Under – diesen hatte ich ein paar Wochen vorher bei einer Rap-Show im Berliner Offenen Kanal mitgeschnitten und danach durch Dauerwiederholung das Tape ausgeleiert, aber der Track war’s wert und hatte letztendlich auch den Ausschlag gegeben, die CD trotz – glücklicherweise unzutreffender – Zensurvermutung mitzunehmen.

Auch Hood Took Me Under ist ein Ausnahmetrack, den ich bis heute verehre, aber auf Music To Driveby waren fast nur Bomben drauf. Das Album ist wie eine Blaupause für alles, was Gangsta Rap der 90er Jahre ausmachte. CMW-Frontmann MC Eiht zementierte hier seinen Status als einer der großen Straßenpoeten, den er sich auf It’s A Compton Thang (1990) und Straight Checkn’Em (1991) aufgebaut hatte. Dieser Status gründete nicht nur auf seiner Fähigkeit, mitreißende Geschichten von der Straße zu erzählen, sondern auch auf seinem ureigenen Style und seiner Stimme, dieser einzigartigen Mischung irgendwo zwischen äußerst entspannt und äußerst bedrohlich.

The Unknown DJ, DJ Slip, Masta Ric Roc und DJ Mike T erschufen mit ihren auf Soul-Samples basierenden Beats die Kulissen für Eihts gewaltgeladene Storys über die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit des Lebens auf der Straße, bei vier der 18 Instrumentals hatte Eiht selbst die Finger mit im Spiel. Das einzige Feature kommt auf N 2 Deep von Geto Boy und Gangsta-Rap-Legende Scarface aus Houston, Texas und ist ein absolutes Highlight, sauber flankiert von zwei Eiht-Strophen.

Und sonst? Hit The Floor ist der optimale Reinkommer, Bronx-Haudrauf Tim Dog (R.I.P.) kriegt die verdiente Rache für sein Fuck Compton auf Who’s Fucking Who – hier glänzt vor allem DJ Mike-T, der den Feind mit seinen Vocal-Cuts zerlegt. Der Track Ni**az Strugglin ist die perfekte Hood-Ballade, von Duck Sick II habe ich bis heute einen Ohrwurm und Def Wish II ein nihilistisches Meisterwerk, realer Horror in Musikform, in dessen Video Eihts Erzfeind DJ Quik von tödlichen Alpträumen geplagt wird. Interessanterweise hat auch dieser Clip, genau wie Hood Took Me Under, eine leicht abgewandelte Alternativversion des Albumtracks spendiert bekommen.

Vor gut vier Wochen ist dieses Album, das ich zu meinen absoluten All-Time-Faves zähle, 30 Jahre alt geworden. Es hat keinen Zentimeter seiner Brillanz eingebüßt, und das sage ich beim Schreiben dieses Posts im Jahr 2022, während Duck Sick II im Hintergrund läuft. Geah!

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