1991 / 1992 / 1993 / 1994

Warum Scarface von den Geto Boys zu den besten Storytelling-MCs aller Zeiten gehört

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Wenn das Thema auf die besten Storytelling-MCs der alten Zeit kommt, dann wird ein Name für meinen Geschmack viel zu selten genannt: Scarface von den Geto Boys aus 5th Ward, Texas. Woran das liegt? Weil der Süden damals noch die dritte Geige nach Ost- und Westküste spielte? Weil die grimmigen texanischen Textinhalte nicht jedermanns Geschmack sind? Ich weiß es nicht. In meinen Top 10 der Geschichtenerzähler ist Mr. Brad Jordan jedenfalls ein Platz sicher. Ganz egal, ob er uns durch die Augen eines jugendlichen Gangmitgliedes, eines Mörders oder durch seine eigenen blicken lässt, das Gefühl beim Hören ist vergleichbar mit dem Lesen eines guten Buches. Die Mehrheit der gleich folgenden Beispiele für Scarfaces Erzählkunst wurden mit sehr guten Videos ausgestattet, die die jeweilige Geschichte detailliert widerspiegeln – aber auch ohne Clips verlieren die Tracks rein gar nichts von ihrer Intensität.

A Minute To Pray And A Second To Die (1991)

Diese Auskopplung aus dem ersten Solo-Album Mr. Scarface Is Back ist einer der wenigen Tracks auf der Platte, die nicht nur so vor Gewalt und Nihilismus strotzen. Stattdessen hören wir ein perfekt erzähltes, fesselndes Straßendrama. Im Video zu A Minute To Pray And A Second To Die steht er mit seinen Jungs um die brennende Mülltonne herum, während Spielszenen im besten 90er-Style der Story ein Gesicht geben. Track und Clip haben damals einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, bis heute zählt das Video zu meinen All-Time-Favorites. (Link zu den Lyrics)

Scarface – Good Girl Gone Bad (1991)

Ebenfalls vom Album Mr. Scarface Is Back kommt dieser Track hier eine ganze Ecke finsterer rüber als A Minute To Pray And A Second To Die. Der Beat mit dem zurückgenommenen Sample verbreitet eine beklemmende Atmosphäre, der Text ist erbarmungsloses Action-Kino aus der Ego-Perspektive mit schiefgegangenen Drogendeals, Verfolgungsjagden und Exekutionen unter der heißen texanischen Sonne. Hier gibt es keine positive Message oder ähnlichen Schnickschnack, auch das Happy End ist nicht gerade herzerwärmend. (Link zu den Lyrics)

Scarface – Street Life (1992)

Street Life war zwar auf dem Geto-Boys-Album Till Death Do Us Part vertreten, ist aber ein waschechtes Scarface-Solo. Geschrieben wurde es für den Soundtrack des Kinofilms South Central (1993), wie man am Text hören kann, der das Setting nach L.A. ins Territorium der (fiktiven) Gang Hoover Street Deuces verlagert. Von den Tracks auf dieser Liste hier ist es definitiv derjenige, den ich am meisten gehört habe. Irgendwie schafft es das Lied vom Instrumental bis zu den Lyrics die gesamte Hoffnungs- und Ausweglosigkeit einzufangen, die das Gangleben prägt. Dass der junge Protagonist am Ende nicht stirbt, sondern im Rollstuhl landet, macht die ganze Geschichte irgendwie noch bitterer. (Link zu den Lyrics)

Scarface – Now I Feel Ya (1993)

Diese ultimative Rap-Autobiographie vom Album The World Is Yours dauert in der LP-Version mehr als siebeneinhalb Minuten, das Video bringt es immer noch auf respektable fünfeinhalb Minuten (leider fehlt die komplette zweite Strophe). Scarface erzählt hier ausführlich die eigene Geschichte und reflektiert über die vergangenen 22 Jahre seines Lebens. Trotz der Kürzung ist auch der Clip wieder hervorragend gelungen, der Beat von James Smith und John Bido erweist sich erneut als das perfekte Vehikel für Faces Erzählung. (Link zu den Lyrics)

Scarface – I Seen A Man Die (1994)

Die Geschichte um einen jungen Mann, der aus dem Gefängnis entlassen wird, trotz bester Vorsätze wieder auf die schiefe Bahn gerät und am Ende den ultimativen Preis dafür bezahlt, ist für viele der beste Scarface-Track aller Zeiten. Der Beat ist ein Geniestreich, das Video erstklassig und insbesondere mit der letzten Strophe erklimmt Scarface den Olymp der wahren Rap-Poeten. Trotz der düsteren Materie wurde I Seen A Man Die zu einem seiner größten Hits und enterte die Top 40 der Billboard-Charts. (Link zu den Lyrics)

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