Crip-Walk statt Moonwalk: Michael Jackson und die Gangs von Los Angeles

Michael Jackson und Mitglieder der 52 Broadway Gangster Crips am Set von „The Way You Make Me Feel“ – Link zum Bild

Bisher hatte ich den King of Pop Michael Jackson eher mit dem Moonwalk als mit dem C-Walk in Verbindung gebracht, aber nachdem ich im Zuge meiner Wanderschaften durch die Weiten des Netzes zufällig auf das obige Foto gestoßen bin, war mein Interesse geweckt – was hatte MJ mit den Crips, der mächtigen Straßengang aus L.A., am Hut?

Nun, zu den wenig bekannten Fakten über Michael zählt die Idee, einigen echten Gangstern kleine Gastrollen in seinen Videos zu verschaffen, um ihnen eine Perspektive und einen Weg raus aus der Gewaltspirale des Betondschungels von L.A. aufzuzeigen. Also wurde für den Dreh zum Megahit Beat It (1982) zunächst das Gang-Department des LAPD kontaktiert – die aus dem Film Colors bekannte und berüchtigte CRASH-Unit (Community Resources Against Street Hoodlums), die später in den Rampart-Skandal verwickelt wurde. Die Jungs lehnten das Ansinnen Jacksons ab, da sie nichts mit Gangmembern zu tun hätten, „außer sie zu verhaften“ (Quelle). Hilfe kam vom Los Angeles Sheriffs Department (LASD) und deren Einrichtung OSS (Operation Safe Streets), die ca. 100 Crips und Mitglieder der hispanischen Maravilla-Gangs für den Dreh organisierten.

Laut Regisseur Bob Giraldi waren bei den Dreharbeiten zu Beat It nicht nur Members der Crips, sondern auch Bloods am Set, gefilmt wurde in der Nähe der East 5th Street in Los Angeles. Jacksons Idee, den Jungs eine Chance zu geben, aufeinander zuzugehen und ihren Lifestyle zu überdenken, funktionierte nur bedingt. Giraldi erinnert sich im Buch I Want My MTV: The Uncensored Story of the Music Video Revolution an eine Todesangst, die am Set herrschte, weil die verfeindeten Gangs – man höre und staune – nicht besonders gut miteinander klarkamen und es zudem nicht gewohnt waren, von einem dahergelaufenen Regisseur Anweisungen entgegenzunehmen. In einem weiteren Interview erzählt Giraldi, dass das LAPD das Set zwei volle Tage lang überwachte und der Dreh zeitweise fast abgebrochen werden musste, weil die Situation so angespannt war. Laut Giraldi waren es die für den Dreh engagierten professionellen Tänzer, die die Situation retteten. Als die Musik losging und die Tänzer loslegten, zeigten sich die Gangster schwer beeindruckt, so dass die Dreharbeiten ohne Zwischenfälle fortgesetzt werden konnten (Quelle).

Es ist auch kein Zufall, dass das Video zu You Make Me Feel (1987) farblich strikt in Blautönen gehalten ist: Die Jungs, die dort auf der Straße rumhängen, sind nicht irgendwelche zusammengecasteten Statisten, sondern Mitglieder des Sets 52 Broadway Gangster Crips (BGC). Am Set dieses Videos entstand auch das eingangs gesehene Foto, im Hintergrund sind Graffitis u.a. von BGC und den Hoover Crips zu sehen. Übrigens: Wer mehr über die einzelnen Sets und das unüberschaubare Netz aus Allianzen und Feindschaften wissen will, der sollte die Seite unitedgangs.com besuchen, hier findet ihr beispielsweise den Artikel über die BGCs.

Inwieweit diese Aktionen von MJ zum Frieden in den von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen geprägten Vierteln der Stadt der Engel beitrugen, ist nicht bekannt. Sicher ist: Ende der 1980er Jahre begannen Gespräche zwischen den Bloods und den Crips, 1992 kam es zum Watts Truce, einem Waffenstillstand zwischen beiden Banden, der wenige Tage vor den L.A. Riots geschlossen wurde. Ab 1993 brachten die Gangs dann gemeinsam Platten raus, unter anderem das legendäre Bangin‘ On Wax. Wer weiß, vielleicht zählt es tatsächlich zu den unbekannten Verdiensten des Michael Jackson, zumindest den Gedanken eines friedlichen Nebeneinanders in den Köpfen der Gangmember implementiert zu haben.

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