Stille Post: Raid (Aphroe und DJ Wiz) – die eine Hälfte der Ruhrpott AG

RAID - Stille Post KSR001 600x500Wenn ich den Zeitpunkt bestimmen müsste, als deutschsprachiger Rap mich das erste Mal komplett überzeugte, dann war das der Moment, als ein gewisser Aphroe von einem Duo namens Raid 1994 bei Freestyle ans Mic ging und mit der Zeile Er sagt, sie sagt, man habe gehört den Track Stille Post einleitete. Nicht nur der Flow war für damalige Verhältnisse übertrieben gut, der Track mit dem eingängigen Beat von DJ Wiz wirkte auch extrem unverkrampft und hob sich so angenehm von vielen anderen BRD-Releases dieser Zeit ab. Veröffentlicht wurde die Maxi auf King Styles Records (Katalognummer KSR001), dem Label von SULA, Herausgeber des King Styles Graffiti Magazins.

Auf Englisch zu rappen war für deutsche MCs auch 1994 noch nicht komplett aus der Mode gekommen, und so hören wir Aphroe auf der B-Seite Jazz Attack ein paar Zeilen in der Muttersprache des Sprechgesangs kicken. Das Original konnte ich leider nicht finden, dafür aber den Remix von der Platte. An dieser Stelle sei auch noch mal an das Interview von Scopemann mit Raid bei VIVA Freestyle erinnert, das ihr euch bei GoldenEraTV reinziehen könnt.

http://www.youtube.com/watch?v=KQdYyr4PjWw

Ein Jahr später schrieben Raid sich dann auch bei der Klasse von ’95 ein und steuerten für das gleichnamige Standardwerk des deutschen Raps mit Autogener Trainer ein jazziges, wie gewohnt metaphernreiches Stück Hip-Hop-History bei. Die Backing-Vocals kommen von MC Rene, dessen Track auf dem Sampler wiederum von DJ Wiz produziert wurde.

Ein Jahr darauf erschien ein weiterer Sampler, der vielleicht nicht den Stellenwert von Die Klasse von ’95 genießt, aber echten Deutschrap-Fans auf jeden Fall ein Begriff sein sollte: Deutschland – Ein Wintermärchen, nach einem Heinrich-Heine-Gedicht benannt und veröffentlicht auf dem Heidelberger Label 360° Records, ihr kennt es. Raids Beitrag zur Compilation war der Aufruf Werd‘ Mensch, der sich inhaltlich nahtlos in den gesellschaftskritischen Grundtenor des Samplers einfügte.

Nach ihren Gastspielen bei der Supergroup La Familia und Das Duale System (beide 1996) fusionierten Raid dann schließlich mit dem Duo Filo Joes (Galla und Pahel) zur Ruhrpott AG und wurden mit ihrem Album Unter Tage (1998) zu echten Legenden. Trotzdem meldeten sich auch Raid 1999 noch einmal zurück, nämlich mit der One-Track-Maxi Geh-Heim Tip, releast auf Put Da Needle To Da Records. Bester End-90er-Flava aus dem Pott.

Das letzte Lebenszeichen von Aphroe und Wiz als Raid war meines Wissens das Feature auf dem ABS-Album Kinderspiel – Leichter Getan Als Gesagt von 2001, wo der Track Pole Position mit gewohnt grandiosen Reimen von Gast-MC Aphroe und fetten Cuts von DJ Wiz aufwartet.

7 Gedanken zu “Stille Post: Raid (Aphroe und DJ Wiz) – die eine Hälfte der Ruhrpott AG

  1. Herzlichen Dank für den Beitrag. Ich war damals noch zu jung, bin aber nach und nach dabei, alls mögliche nachzuhören und habe mich sehr über die Erläuterungen, Informationen und Verlinkungen gefreut! Beste Grüße!

    1. Hi Raphael, freut mich, dass ich Dir beim „Aufholen“ helfen kann. Kannst Dich ja mal durchklicken, vielleicht findest Du auch noch ein paar andere Beiträge, die Dich interessieren.

  2. Guter, wichtiger Artikel, denn ich erst jetzt entdeckt habe.
    Erwähnswert wäre dann noch die B-Seite von Mc Renes „Spüre diesen groove„, der Track zeitreise, auf dem aphroe beweist, dass er seinen Kollegen u LIchtjahren voraus ist. ist zwar kein raid track, trotzdem der absolute Knaller

  3. Stille Post – Meisterwerk und damals „Hassliebebeat No.1″…..machte zu der Zeit erste ambitionierte Beatbastelgehversuche (Atari/Cubase/S950)…immer auf der Jagd nach dem derbsten 4taktloop und hatte gerade die kleine Hexe mit backbeat und 12bit drums gepimpt, als mir mein plattendealer frank (soulfood records Münster ) die maxi vorlegt!!! Die gleiche nummer hatte ich vorher(?)schon mit xibits Paparazzi………wäre mal besser samplescout geworden!
    Cheers, doggybrown

    1. Verstehe ich das richtig: Das Sample ist aus „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler? Aus dem Hörspiel? Haha wow, das hätte ich eigentlich selbst erkennen müssen…

      P.S. Ich kenne auch einige Beatbastler, und die hatten alle irgendwo auf ihrem Weg ein ähnliches Erlebnis. Die haben die „anderen“ Beats dann zwar auch oft gefeiert, aber ein kleiner Nadelstich ins Producer-Herz war wahrscheinlich doch bei jedem Anhören dabei.

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