Es ist Zeit, die Sektkorken knallen zu lassen – oder, dem Anlass angemessener, die Forties aufzuschrauben: The War Report von Capone-N-Noreaga wird an diesem Wochenende 20 Jahre aka zwei Jahrzehnte alt. Ich weiß noch, dass diese LP damals ganz genau meinen Nerv traf. Capone und Noreaga, die sich bei einem Knastaufenthalt kennengelernt und ihre gemeinsame Liebe zum Rap festgestellt hatten, waren angetreten, um ein kompromissloses Straßenrap-Album aufzunehmen und mit den aktuellen Trends an der Ostküste zu brechen. Keine glitzernden Shiny Suits, keine maßgeschneiderten Anzüge nach Mafia-Manier – stattdessen berichteten CNN in martialischer Aufmachung mit Timberlands und Tarnklamottenvon von den Frontlinien in Queens. Noreagas Viertel LeFrak City wurde kurzerhand in Iraq, Capones Heimat Queensbridge in Kuwait (oder Q-Wait) umbenannt. The War Report eben.
Der Queensbridge-Held und CNN-Mentor Tragedy Khadafi wurde auf insgesamt acht Tracks gefeaturet (einige hatte er auch produziert), dazu gesellten sich weitere Gäste aus den finsteren Ecken der Nachbarschaft wie Imam T.H.U.G., Mobb Deep oder Musaliny-N-Maze. Für die Beats versammelten sich Vertreter der Producer-Elite NYCs, u.a. Buckwild und Lord Finesse, EZ Elpee, The Hitmen, Marley Marl und Havoc, die hier eine passende, größtenteils düstere Soundkulisse aufbauten. Trotz der verschiedenen Leute hinter den Boardsklang das Album nicht zusammengewürfelt, sondern gab ein sehr stimmiges Gesamtbild ab. Ausfälle waren nicht zu verzeichnen – lediglich das von Clark Kent produzierte Closer fiel vom Vibe her etwas aus dem Rahmen, wurde nach den ersten Pressungen aber durch den Remix von Sam Sneed ersetzt. Wenn ich das Album mal wieder rauskrame, dann sind Blood Money, Live On Live Long, Halfway Thugs und natürlich T.O.N.Y. meine ersten Anspielstationen, aber wie gesagt – am besten lässt man The War Report einfach durchlaufen.
Ausgekoppelt wurden insgesamt drei Singles. Die erste hieß Illegal Life, ein doper, von Tragedy und Havoc produzierter Banger. Mehr Aufsehen erregte aber die B-Seite: L.A. L.A. war eine Reaktion auf das im Vorjahr erschienene New York, New York von Tha Dogg Pound aus Long Beach, Kalifornien – genau, das Video in dem Daz, Snoop und Kurupt in Übergröße durch Manhattan spazieren, Wolkenkratzer eintreten und mit ihren Impalas den Times Square auf und ab fahren, als würde die Stadt ihnen gehören. Dass die Nummer so nicht läuft, stellten neben CNN auch die Feature-Gäste Tragedy und Mobb Deep sowie Producer Marley Marl klar. Dazu kam ein deutliches Video, ganz ohne Computer-Effekte, dafür mit klassischem Kidnapping in Schwarzweiß-Optik und abschließendem Wurf von der Queensboro Bridge.
https://www.youtube.com/watch?v=IY1APzDNzh0
Und natürlich könnte ich diesen Beitrag nicht abschließen, ohne noch einmal gesondert auf T.O.N.Y. einzugehen. Für mich ist dieser Track einer der besten, die New York City in der letzten Dekade des ausklingenden Jahrtausends hervorgebracht hat. Angefangen beim genialen, irgendwo zwischen soulig und bedrohlich angesiedeltem Beat (produziert von The Hitmen aus dem Bad-Boy-Camp mit Walter-Jackson-Sample) bis hin zum überragenden Tragedy Khadafi als Feature-Gast ist hier alles perfekt in Szene gesetzt. Gleiches gilt für das Video, das 1996 abgedreht wurde und zeigt, wie Capone von N.O.R.E. und Trag vor dem Knast bewahrt wird.
In Wirklichkeit lief es nicht so gut wie im Video zu T.O.N.Y.: Schon während der Aufnahmen zu The War Report musste Capone wegen der Verletzung von Bewährungsauflagen ins Gefängnis. Davon zeugen auch die Capone Phone Home-Skits, bei denen es sich um echte Anrufe aus dem Knast handelt. Ein interessantes Interview zum LP-Release mit N.O.R.E., für das er sich 1997 mit Tyron Ricketts von Word Cup in LeFrak City traf, könnt ihr hier sehen.
Auch wenn das CNN-Debüt in dieser Hinsicht häufig zu kurz kommt (und wo ist eigentlich der zugehörige Jubiläums-Mix?): Für mich gehört The War Report auf jede ernstzunehmende Liste, die die essenziellen East-Coast-Classics der 90er Jahre aufzählt.