Bei DJ Friction habe ich gestern gelesen, dass Esperanto von Freundeskreis 25-jähriges Jubiläum feiert. Im Erscheinungsjahr 1999 gab es auch etwas zu feiern, denn deutschsprachiger Rap steckte kurz vor der Jahrtausendwende in seiner eigenen Goldenen Ära: Vielfalt war das Motto, und mit Quadratur des Kreises (1997) hatten die Stuttgarter von FK längst ihren festen Platz im „Deutschrap“-Kosmos eingenommen.
Ich erinnere mich noch gut an die CD von Esperanto, nicht nur, weil sie statt im Jewel Case in einer edel aufgemachten Papphülle mit Prägung rauskam – Digisleeve nennt man sowas laut Discogs wohl. Das Album war vielleicht nicht der in jedem Rap-Haushalt allgegenwärtige Klassiker wie Quadratur…, trotzdem war der Kauf ein lohnenswerter. Features kamen u.a. aus der Stuttgarter Nachbarschaft von den Kolchose-Kollegen Massive Töne und Afrob sowie aus Eimsbush, außerdem hatte damals niemand sonst Shurik’n von IAM auf seinem Album, also gab es auch Pluspunkte unter dem Gesichtspunkt deutsch-französischer Freundschaft.
Müsste ich aber einen Favoriten von Esperanto wählen, dann wäre das Sternstunde / Die Revolution Der Bärte, das für mich sowas wie die inoffizielle Fortsetzung des FK-Classics Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte darstellte. Mit Featuregast Mighty Tolga mochte hier der eine oder andere eine klassische Nummer im Rap-Hook-Rap-Hook-Schema erwartet haben, stattdessen rappt Max dreieinhalb Minuten nonstop durch, bevor Tolga zum Abschluss mit seinem Gesang wieder etwas Ruhe in die Kiste bringt. Als Rap hierzulande härter und Battle-lastiger wurde, wurde auch Max Herre zur Zielscheibe einer neuen Generation von Rappern, ein Schicksal, das er mit vielen seiner Zeitgenossen teilte… aber mir kann keiner erzählen, dass irgendjemand anderes ein so weitsichtiges und zeitloses Stück wie Sternstunde / Die Revolution der Bärte hätte zu Papier bringen können als Max FK anno 1999. Nicht damals, nicht heute. Der Track steht stellvertretend für eine Nische, die nur Freundeskreis besetzen konnte. Einmalig, wie der Beat mit dem Text zu fließen scheint und die ganz großen Fragen wie „sind wir technisch Raumpatrouille, ethisch Urknall…?“ oder „man soll die Welt seh’n wie sie ist, aber muss man sie so lassen?“ zur Geltung bringt. Eine wahre Sternstunde des deutschsprachigen Conscious-Rap, die nach 25 Jahren so erschütternd aktuell klingt, dass es einem stellenweise kalt den Rücken runterläuft.