Direkt aus Lil Vietnam aka Norfolk, VA klingt Greer genau so, wie man sich einen Wu-Tang-Affiliate aus dem Territorium abseits der Rap-Metropolen vorstellt – nur: er gehörte nie zum Clan, nicht direkt, nicht indirekt, eben gar nicht. Inspiriert ist der Sound, den wir auf seinem ersten Longplayer Ill Visions zu hören kriegen, aber eindeutig vom Zirkel des Shaolin. Der Vibe vieler Tracks geht für mich am ehesten in Richtung Killarmy, und das ist durchaus als Kompliment zu verstehen.
Verantwortlich für diesen Eindruck sind nicht nur die Beats, sondern auch die Texte, die in typischer Endzeit-Manier Straßengeschichten aus den Letzten Tagen erzählen – Armageddon, Lil-Vietnam, My Last Prayer oder der Titeltrack zeigen ganz gut, woher der Wind weht. Und wie zur Bestätigung zeigt das Backcover Greer in einem Outfit, mit dem er sich auch auf Dirty Weaponry hätte blicken lassen können.
Die Features kommen alle aus Virginia und größtenteils von unbekannten Kumpels wie Keen Kanash oder Reubar Da Ax Murder, die zum Teil ebenfalls auf Wildlife Records gesignt waren. Und auf My Last Prayer stellen wir dann doch noch eine Wu-Connection über drei Ecken fest, denn als Gast hören wir hier Meyer Lansky aka Myalanksy vom Wu-Syndicate aus Virginia Beach, die mit dem wunderbaren Where Was Heaven 1999 einen Untergrund-Klassiker schufen.
Da Greer bzw. Wildlife Records das Album ’98 nur in kleiner Auflage und nur auf CD veröffentlichten, leckten sich die Sammler bald alle 10 Finger nach dem Teil. Kürzlich hat sich 90’s Tapes an die Neuauflage gewagt, und dieses Mal war sogar die CD – sonst das am längsten verfügbare Medium unter den heiß umkämpften 90’s-Tapes-Releases – in kürzester Zeit ausverkauft. Kein Wunder, wenn Leute für das Original bei Discogs auch mal knapp 600 € auf den Tisch legen. Dankenswerterweise wurde aber auch wieder der Stream spendiert, hier ist Ill Visions in voller Länge:
Der Longplayer war nicht Greers erster Streich, zwei Jahre zuvor erschien die EP Mentality mit drei Tracks, zwei Intros und einem Remix. Auch ein finsteres Ding, auf dem die auf Ill Visions fortgesetzte Fuck-the-World-Welle geritten wird und das man jedem Untergrund-Head bedenkenlos ans Herz legen kann. Robbery ist auf jeden Fall ein krasser Track – und wo wir bei Inspiration waren, hier höre ich diesmal kein Wu, dafür aber den Mobb aus QB heraus. Und auch das ist wieder im positivsten Sinne gemeint.
1999 war Greer noch mit ein paar Beiträgen auf dem Wildlife-Labelsampler Da Nu Edition vertreten, 2003 erschien sein letztes Album Suicide Letter, anschließend wurde es ruhiger um ihn. Seit 2015 verbüßt er eine – vermutlich längere – Haftstrafe.