Gerade aus dem Sommerurlaub zurück, erreichte mich die Nachricht, dass Chino XL nicht mehr unter uns weilt. Mein Bruder war seit Tag 1 (der irgendwann im Jahre 1996 lag) riesiger Chino XL-Fan, mein von ihm überspieltes Tape mit seinem ersten Album Here To Save You All habe ich bis heute. Von Ghetto Vampire bis Kreep oder Nunca – der MC aus East Orange, New Jersey war begnadeter Lyricist und ein absolutes Unikat. Wäre „Rap als Ventil“ eine Person, wäre Chino dieser Typ gewesen. Beim Hören von Here to Save You All hatte ich das Gefühl, der Mann hat zu viele Gedanken in seinem Kopf, die er in Reime verpackt loswerden muss, um nicht zu explodieren. Seine erste Single No Complex ist nicht nur ein perfektes Beispiel für diese Art der verbalen Druckbetankung, sondern auch für die Eigenschaft, einfach alles und jeden für seine Vergleiche und Metaphern heranzuziehen, dabei immer Namen zu nennen und alle 10 Finger in offene Wunden zu legen. Auf Rap-Ebene hätten sich die meisten es zweimal überlegt, sich mit Chino anzulegen. Wer bekanntermaßen reagierte, war 2Pac, mit dem es eine kurze, aber heftige Fehde gab (die im Grunde genommen nur aus je einer wechselseitigen Zeile und einem bösartigen Chino-Freestyle auf einem Mister-Cee-Mixtape bestand, bevor der Konflikt ad acta gelegt wurde).
Aktiv war Chino bereits seit der ersten Hälfte der 90er als Teil des Duos Art Of Origin, über das auch der Kontakt zu Rick Rubins Label (Def) American Recordings zustande kam, auf dem er sein Solodebüt releaste. Mit den Labels gab es ab dem zweiten Album I Told You So (2001) Probleme, aber so richtig weg vom Fenster war Chino auch in den letzten Jahren eigentlich nie, immer tauchte er irgendwie irgendwo auf. Zum Beispiel mit Ethiopia und ganz aktuell auf der neuen Rakim-EP. Vor drei Tagen gab seine Familie bekannt, dass der MC mit dem bürgerlichen Namen Derek Barbosa am 28. Juli im Alter von 50 Jahren verstorben ist.
R.I.P. Chino XL (1974 – 2024)
