Durchgehört: Wu-Tang Clan – The Saga Continues (Track-für-Track-Review)

Der Wu-Tang Clan bringt ein neues Album raus!“ Nach dem vielgescholtenen und etwas glanzlosen A Better Tomorrow (2014) hätte mich diese Nachricht nicht wirklich vom Hocker gehauen. Wenn, ja wenn da nicht zwei kleine Punkte gewesen wären: Erstens die Nachricht, dass die komplette Produktion von Allah Mathematics (mit RZA als Executive Producer) gehandlet werden würde, und zweitens die hervorragende erste Single People Say featuring Redman, die den alten Wu-Fans die Freudentränen in die Augen trieb und auch mich nachhaltig beeindruckte. Also dann, dachte ich mir, wenn der Clan eine LP raushaut und die Vorboten allesamt nur Gutes vermuten lassen, dann schreibe ich ein Track-by-Track-Review der Scheibe, wenn sie erscheint.

Nun ist die LP seit ein paar Tagen draußen und kann auf allen gängigen Plattformen gestreamt sowie auf CD und Vinyl erworben werden. Hinter dem überaus dopen Coverartwork verbirgt sich eine Tracklist mit 18 Titeln – zieht man Intro, Outro und Skits ab, dann bleiben 11 „richtige“ Songs übrig, die wie erwähnt allesamt von Allah Mathematics produziert wurden, u.a. auf der legendären ASR-10. Erstaunlich ist, dass das gesamte Album laut Mathematics größtenteils ohne geborgte Samples auskommt, stattdessen wurden viele Passagen live eingespielt bzw. eingesungen – da wäre ich nicht drauf gekommen, zu sehr klingt das Album nach den alten, äußerst Sample-lastigen Zeiten des Clans. Aber der Reihe nach:

Lesson Learn’d (feat. Inspectah Deck & Redman)

Dem Triumph-Aushängeschild Inspectah Deck wird die Ehre zuteil, das Album als Vertreter des Wu-Tang Clan zu eröffnen, dazu gesellt sich Redman mit der Hook und der zweiten Strophe – Reggie Noble macht auf diesem Album übrigens den Cappadonna und feiert endgültig seinen Einstand als inoffizielles Mitglied der Staten-Island-Crew. Der Beat mit dem sparsam eingesetzten Background-Gesang und dem dezenten Piano schraubt die Erwartungen an den Rest der LP hoch.


Fast and Furious (feat. Hue Hef & Raekwon)

Keine Ahnung, wer dieser Hue Hef ist, aber was er hier macht, gefällt mir sehr gut. Er erinnert mich irgendwie krass an Uncle Murder, falls den noch jemand kennt. Raekwon flowt – wie auf seinem aktuellen Solo The Wild – makellos, der Beat mit seinen nervösen Streichern sorgt für Nervenkitzel. Im Ergebnis ist Fast and Furious gelungenes Storytelling rund um Drogendeals, Schießereien, aufgebrachte Freundinnen und hinterlistige Bundesagenten.


If Time Is Money (Fly Navigation) (feat. Method Man)

Dieser Track erschien vor ein paar Tagen als letzer Vorgeschmack und machte nochmal richtig Appetit auf den Longplayer. Mathematics macht hier einen von diesen Beats klar, die einem (mir zumindest) sofort ein dickes Lächeln ins Gesicht zaubern. Das Instrumental ist perfekt geeignet für Method Man, der hier auf seine einzigartige Art und Weise druckvoll und trotzdem unaufgeregt Geschichten erzählt. Wie erwartet einer meiner Favorites dieser LP!


Frozen (feat. Method Man, Killah Priest & Chris Rivers)

Der erste Beat, bei dem ich zunächst stutzig geworden bin… nach einigen Durchgängen hat sich meine anfängliche Skepsis etwas gemildert, zudem erinnert mich der Song an eine abgespeckte Variante von The Ghetto My Hood vom Trinity Garden Cartel. Vor allem Killah Priest macht hier eine gute Figur, den Abschluss erledigt Chris Rivers, der Sohn von Big Pun.


Pearl Harbor (feat. Ghostface Killah, Method Man, RZA & Sean Price)

Nachdem Ghostface mit seiner Hook Inspectah Decks Triumph-Verse Tribut gezollt hat, legt auch schon der schmerzlich vermisste Sean Price los: You ever been face-fucked with a 4-5th? Eine von diesen Fragen, die bei der nächsten Party sicherlich für Gesprächsstoff sorgen. Der Track hätte hätte sich auch gut auf dem Projekt Wu-Tang Meets the Indie Culture gemacht, mir gefällt er sehr gut.


People Say (feat. Method Man, Raekwon, Inspectah Deck, Masta Killa, Redman)

Der soulige Track, der den Stein ins Rollen brachte ist gleichzeitig der Track auf der LP, der die meisten Wu-MCs gleichzeitig featuret. Immer noch ein ganz großer Wurf, der auch nach dem x-ten Mal Hören einfach nur dope ist…


Why Why Why (feat. RZA & Swnkah)

Dieses Quasi-Solo von RZA mit Swnkah als Gast-Sängerin ist der erste Track, der mir überhaupt nichts gibt. Trotz der Message (der Track richtet sich gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt) lösen weder Beat noch Rap irgendwas aus in meinem für Sprechgesang schlagenden Herzen. Wenn man aber bedenkt, dass wir hier schon bei Anspielstation 11 sind, dann spricht das schon fast wieder für das Album.


G’d up (feat. Method Man, R-Mean & Mzee Jones)

Diese Nummer ist auch nicht mein Fall, da kann auch das auf diesem Album omnipräsente Arbeitstier Method Man nichts rausreißen. Klingt ein bisschen wie diese uninspirierten Rap-R&B-Kollabos vergangener Zeiten.


If What You Say Is True (feat. Cappadonna, GZA, Masta Killa, Streetlife)

Aller schlechten Dinge sind drei? Auch der Beat hier reißt für mich nicht viel… was nicht weiter tragisch wäre, allerdings hat sich GZA ausgerechnet diesen Track hier ausgesucht, um seinen einzigen Verse auf dem Album zu kicken. Das schmerzt dann doch ein wenig, und ich habe wirklich versucht, mit dem Beat warm zu werden. Vielleicht gelingt es euch, ich würde es euch zumindest wünschen.


Saga (Skit) [feat. RZA]

Dieser Track ist eigentlich ein Skit und dauert nicht mal eine Minute, gefälllt mir mit dem philosopherienden RZA am Mic aber wesentlich besser als die vorangegangenen drei Tracks, insbesondere – zur Ehrenrettung von RZAs Solokünsten – schlägt er Why Why Why um Längen.


Hood Go Bang! (feat. Redman & Method Man)

Es geht wieder bergauf: Redman macht hier nur die Hook klar, der Rest des Songs gehört M.E.T.H.O.D. Man, und der macht seine Sache auf einem schnörkellosen Loop wieder richtig gut.


My Only One (feat. Ghostface Killah, RZA, Cappadonna & Steven Latorre)

Erst verursacht My Only One mit seinem nervigen Gesang zwiespältige Gefühle – und nur, weil sich ein Track um die Damenwelt dreht, muss man auch nicht gleich die Contenance verlieren und Autotune auspacken. Aber wenn der Part des Chef-Entschädigers Ghostface Killah einsetzt, dann ist plötzlich irgendwie wieder alles in Ordnung. RZA und Cappa machen ebenfalls einen guten Job und diesen Track zu einem soliden Schlusspunkt, wenn man von den beiden folgenden Skits absieht.


DAS FAZIT

Das neue Album ist um Längen besser als A Better Tomorrow und dessen Vorgänger 8 Diagrams (2007), was meiner Meinung nach vor allem an der Entscheidung liegt, Allah Mathematics als Producer an die Boards zu lassen – er fängt den Sound ein, den viele Wu-Tang-Fans auf den letzten Longplayern vermisst haben, ohne dabei altbacken zu klingen. Wer allerdings soundmäßig Innovationen erwartet, der wird bitter enttäuscht sein, dieses Album richtet sich zum Großteil an die konservativen Heads, die dem Fortschritt generell skeptisch gegenüberstehen. Ein kleiner Wermutstropfen ist der durch die vorab veröffentlichten Singles entstehende Filmtrailer-Effekt, bei dem man das Gefühl hat, die besten Szenen bereits zu kennen. Und ja, die bekannten Tracks People Say, Lesson Learn’d und If Time Was Money gehören zu den besten des Albums – aber sie haben genug Replay-Value, um sie auch jetzt noch einmal im LP-Kontext genießen zu können, und so fällt dieser Punkt nicht großartig negativ ins Gewicht. Ebenso kann ich das Fehlen von U-God ziemlich gut verschmerzen, dass GZA hingegen nur einen einzigen Verse auf der LP hat wird viele Fans stören. Trotzdem: Auch wenn The Saga Continues auf der Zielgeraden leicht abflacht, so ist dieses hier doch das beste Wu-Album seit Iron Flag… und das erschien vor immerhin 16 Jahren.

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