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R.I.P. Seagram – zum 20. Todestag des MCs aus East Oakland

RIP-Seagram 390 Biggie, Pac, Pun, Eazy, Guru – sie alle haben ihren festen Platz in der Erinnerung von Zigtausenden Rap-Fans, jedes Jahr gibt es anlässlich ihrer Geburts- oder Todestage Gedenkbeiträge, Tribute-Mixes und vieles mehr. Das ist auch gut so. Aber dann sind da noch die unzähligen anderen Hip-Hop-Künstler, die sich zu früh von dieser Welt verabschieden mussten, derer aber in den Blogs, Magazinen und sozialen Netzwerken da draußen nur selten bis gar nicht gedacht wird. Einer von von diesen „Vergessenen“ ist Seagram – bürgerlich Seagram Miller aus Oakland, Kalifornien -, der heute vor 20 Jahren in seiner Heimatstadt erschossen wurde. Dabei war der Rapper und begnadete Freestyler nicht nur eine lokale Berühmtheit in der Bay Area, sondern auch weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt.

Zunächst einmal war Seagram meines Wissens der erste auf dem Label Rap-A-Lot Records gesignte Künstler, der nicht aus dem texanischen Houston kam. Im Jahre 1992 machte er mit dem Track The Ville – benannt nach den berüchtigten 69 Ville Housing Projects in East Oakland – von sich Reden, der sich zu einem Untergrund-Hit in der Bay Area entwickelte. Man kann wohl davon ausgehen, dass es sich bei den Waffen im Video nicht um Attrappen handelte.

Das erste Mal, dass ich Seagram rappen hörte, war auf Track Action Speaks Louder Than Words. Dieser erschien nicht nur auf seiner eigenen Debüt-LP The Dark Roads (1992), sondern im selben Jahr auch auf The South Park Psycho, dem ultrabrutalen ersten Album des zertifizierten Irren Ganksta NIP aus Houston, das ich mir damals geholt hatte. Scarface und Willie D von den Geto Boys wurden auf dem Song ebenfalls gefeaturet, und obwohl ich immer ein gigantischer Fan der Texaner war, ist Seagram hier nur ein paar Zentimeter davon entfernt, den anderen Jungs die Show zu stehlen.

Für den – von ihm selbst produzierten – Titeltrack zur LP The Dark Roads tat der MC schon 1992 das, was Ice Cube und Das EFX ein Jahr später zu durchschlagendem Erfolg verhelfen sollte: Er samplete kurzerhand den Furious-Five-Klassiker The Message, um damit seine Geschichten von den dunklen Straßen East Oaklands zu unterlegen.

Das zweite Seagram-Album erschien 1994, hieß Reality Check und gilt als weiterer Klassiker des Bay-Area-Rap. Ausgekoppelt wurden die Tracks Eastside und If The World Was Mine, beides Paradebeispiele für den speziellen Oakland-Funk, wie ihn auch Spice 1 und Kollegen anzurühren pflegten. Als Feature-Gäste auf dem Album waren u.a. Too $hort sowie Gangsta P dabei, wobei letzterer auch schon auf The Dark Roads mitgewirkt hatte.

Das dritte und letzte Album Souls On Ice, leider das einzige von ihm, dass ich als CD besitze, erschien 1997 und damit bereits posthum. In den frühen Morgenstunden des 31. Juli 1996 war der damals 26-jährige Seagram mit Gangsta P irgendwo in Oakland unterwegs, als ein Unbekannter das Feuer auf die beiden eröffnete. Seagram, der sich schützend vor seinen Kumpel stellte, starb im Kugelhagel, Gangsta P überlebte die Attacke schwer verletzt. Die Polizei spekulierte später, es habe sich um den Racheakt eines Drogenbosses gehandelt, der über einen Track des Rappers verärgert gewesen sei (wie man in der SFGate lesen konnte).

Sogar der Berliner Tagesspiegel berichtete auf der letzten Seite über den Fall, wobei es auf ewig das Geheimnis des zuständigen Redakteurs bleiben wird, wo er den Namen L.B. aufgeschnappt hat, unter dem Seagram angeblich gerappt haben soll. Das überhaupt über seinen Tod berichtet wurde erklärt sich daraus, dass es ein heißes Jahr war, was mörderische Rivalitäten im Rap-Game anging. Schon in den Wochen zuvor hatten sich Meldungen über Gewalttaten im Zusammenhang mit Hip Hop gehäuft – ein trauriger Trend, dem in der zweiten Hälfte des Jahres 1996 sowohl Tupac Shakur als auch Mr. Cee von der R.B.L. Posse zum Opfer fallen sollten.

Seagram - Tagesspiegel 90erhiphop.de 350

Wesentlich ausführlicher und auch näher dran am Geschehen als der Tagesspiegel und die SFGate äußerte sich der Journalist Davey D, der Seagram persönlich kannte und unter anderem auch von dessen Aktivitäten als Freestyle-King berichtete. Welchem Magazin der Artikel entstammt, kann ich leider nicht sagen, der Scan ist nicht von mir.

RIP-Seagram 700

Wie bei so vielen anderen stellt sich auch bei Seagram die Frage, was aus ihm geworden wäre, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, sein Potential vollständig zu entfalten. Was bleibt, sind seine drei LPs, jede für sich genommen ein Klassiker des Bay-Area-Rap der 90er Jahre.

Rest In Peace, Seagram Miller (13. April 1970 – 31. Juli 1996)

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