Ich saß also gestern Abend wieder vor der Kiste und stieß im weltumspannenden Netz auf die freudige Nachricht, dass Marvel plant, eine Reihe von Comics mit neuem Coverdesign aufzulegen, jeweils angelehnt an das Artwork eines Hip-Hop-Klassikers. Seit vor kurzem die Variants von Run The Jewels im Netz auf erheblichen Anklang gestoßen sind, dachte man sich wohl, hey, das hier scheint ein neues Erfolgsrezept zu sein. Und tatsächlich, die vorab veröffentlichten Cover sehen schon mal ziemlich geil aus. Leider hat die Sache einen sehr schalen Beigeschmack, aber dazu gleich mehr. Erstmal ein Beispiel für das, was Marvel da vorhat – hier sehen wir das Cover von Eric B & Rakims Klassiker Paid In Full im neuen Gewand mit Spiderman und Deadpool… dope.
Auch die weiteren vorab veröffentlichten Motive sehen teilweise sehr cool aus. Aber was mussten meine entzündeten Augen in der Kommentarsektion auf Uproxx lesen? Ein User namens Jon Hightower bezeichnete Marvel als Copy Cats und hinterließ einen Link zur Tumblr-Seite von Longboxes on 22s. Was hatte es damit auf sich? Der rasende Investigativjournalist in mir (oder eher der Teil, der keinen Bock hatte, ins Bett zu gehen) war geweckt. Ein paar Klicks später war ich schlauer: Scheinbar hat Marvel die Idee, Hip Hop und Superhelden zu kombinieren, schlicht und ergreifend von den Comiczeichnern Julian Lytle und Sean Causley, den Köpfen hinter Longboxes on 22s, sowie von Kenny Keil (Tales 2 Suffice) abgekupfert. Und das zum Teil ziemlich dreist. Hier ein paar Beispiele:
Wie man sieht, hatten die Jungs von Longboxes on 22s bzw. Kenny Keil einige ihrer Artworks schon vor 4 Jahren ins Netz gestellt. Klar kann man sagen, die Designs der ursprünglichen Rap-Cover sind nun mal so, wie sie sind – wenn man hier Comichelden einbaut, dann sind dem kreativen Spielraum von Natur aus Grenzen gesetzt. Außerdem „gehören“ die Charaktere nun mal Marvel, können die nicht damit machen, was sie wollen? Im Grunde genommen ja, aber wenn sich Marvel schon auf Hip-Hop-Terrain vorwagt, dann können wir das Kind auch beim Namen nennen: Das Ganze riecht stark nach der Todsünde namens Biting. Und für einen bloßen Zufall sind die Ähnlichkeiten doch zu frappierend, wenn man beispielsweise die Details des „Midnight Marauders“-Covers vergleicht. Das gilt umso mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, was den Hip-Hop-Stein auf Seiten des Comic-Konzerns ursprünglich ins Rollen brachte: Das Variant-Cover von Run The Jewels, dem Projekt von El-P (Ex-Company-Flow) und Killer Mike. Denn auch dieses Design hatten die Leute bei Longboxes on 22s zuerst kreiert:
Es muss unfassbar frustrierend sein, wenn ein Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen einfach so deine Idee klaut, um ein paar Dollars mehr abzugreifen, denn ganz ehrlich: Vielleicht lesen überdurchschnittlich viele Hip-Hop-Fans Comics, aber so richtig gekümmert hat das Marvel und Co. nie wirklich, auch wenn das in der Pressemeldung anders klingt. Springen beim Trittbrettfahren ein paar schöne Motive raus, dann ist dagegen nichts einzuwenden – aber wer auf einen Zug aufspringt, der schon seit 4 Jahren rollt, der sollte dies gefälligst mit eigenen Ideen tun, anstatt andere zu kopieren. Dementsprechend sauer sind die Verantwortlichen bei Longboxes on 22s und Tales 2 Suffice, was man durchaus nachvollziehen kann. Jedenfalls verzichte ich darauf, die restlichen Marvel-Designs hier zu posten, auch wenn sie wirklich cool sind und ich mit Howard The Duck wesentlich mehr anfangen kann als mit Jughead Jones. Stattdessen gibt es ein paar sehr nice Bilder von den Originators – Julian Lytle, Sean Causley und Kenny Keil!
Checkt den Rest der Comic-Dopeness auf Longboxes on 22s und Tales 2 Suffice!