Kontroverse Tracks der 90er (Teil 2): Kill Whitey – Rap und Rassismus

Ganksta_NIP
Cover der LP „Psychic Thoughts“ von Ganksta NIP, 1993

Der landläufigen Meinung nach sollten sich Rap als Teil der Hip-Hop-Kultur und Rassismus eigentlich gegenseitig ausschließen. Vom edlen Grundgedanken her ist das sicherlich richtig, aber spätestens mit dem Aufkommen des Gangsta Rap und radikalerer Ausformungen des Conscious Rap hatte sich auch diese These endgültig erledigt. Diverse Veröffentlichungen damaliger Zeit trugen nicht nur rassistische Untertöne, sondern propagierten unverhohlen Ablehnung und Hass. Der zweite Teil der Reihe Kontroverse Tracks der 90er (hier geht es zu Teil 1) listet sechs diskriminierende Beispiele auf, die es in sich haben. Das Anhören erfolgt auf eigene Gefahr, denn eins ist sicher: Ganz egal, woher du kommst oder wie du aussiehst, von einem dieser Tracks aus dem goldenen Zeitalter des Rap wirst auch du dich angegriffen fühlen.

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MC Ren – Attack On Babylon (1993)

Nachdem N.W.A sich aufgelöst hatten, ging auch MC Ren dazu über, seine Solo-Karriere voranzutreiben. Das auf der EP Kizz My Black Azz angekündigte Album-Projekt Life Sentence wurde aufgegeben, stattdessen wurde Ren Mitglied der Nation Of Islam und brachte 1993 Shock Of The Hour raus. Anstelle von klassischem Gangsta Rap lieferte diese LP für den Massenmarkt schwerer verdauliche Kost und thematisierte beispielsweise den angeblich bevorstehenden Rassenkrieg zwischen Schwarz und Weiß. Auf Attack On Babylon hagelt es dementsprechend Anfeindungen und Todesdrohungen gegen das weiße Amerika und alle Verräter mit hellhäutigen Ehepartnern.

http://www.youtube.com/watch?v=UwC7TdWAI6A

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Ice Cube – Black Korea (1991)

Es ist 1991, und Ice Cube hat richtig Ärger. Sein umstrittenes – und bestes – Album Death Certificate ist Gegenstand harscher Rassismusvorwürfe und erscheint in England nur zensiert. Stein des Anstoßes sind der N.W.A-Diss No Vaseline mit abfälligen Bemerkungen über Jerry Heller, den jüdischen CEO bei Ruthless Records, sowie Black Korea, gewidmet den koreanischen Shopbesitzern von Los Angeles. Don’t follow me up and down your market / or your little chop-suey ass will be the target of a nationwide boycot. Chop Suey kommt zwar aus China, aber wen interessiert das, wenn man  richtig wütend ist. Ebenfalls nicht zur Völkerverständigung trägt die Aufforderung bei, der schwarzen Faust Respekt zu zollen, weil diese sonst die Streichhölzer zückt um koreanische Läden niederzubrennen.

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Ras Kass – Nature of the Threat (1996)

Dieses 8-minütige Epos vom Album Soul On Ice ist nichts für den empfindlichen weißen Magen. Ras Kass erklärt der Welt, warum alles Böse im Endeffekt auf helle Haut zurückzuführen ist (das Fazit: All whites must be perceived as potential predators) und bombardiert den Hörer mit Jahreszahlen, Schopenhauer-Zitaten und Enthüllungen über homosexuelle griechische Götter. Andere Rapper dissen diesen oder jenen MC, Ras Kass nimmt sich stattdessen die gesamte westliche Zivilisation vor. Heraus kommt eine Geschichtsstunde für Hartgesottene, denn hier wird am Stück referiert – Hookline oder anderer ablenkender Schnickschnack fehlen komplett. Ein übles, technisch gut gemachtes Teil, das in punkto Rassismus und Homophobie den ebenfalls nicht zimperlichen Rest der damaligen Szene im dunkelsten Schatten stehen lässt.

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Menace Clan – Kill Whitey (1995)

Dieses Stück, das schon häufiger aufgrund Verstoßes „gegen das Verbot von Hassreden“ von YouTube entfernt wurde, verdankt die Welt dem Menace Clan aus Houston, Texas, der zuvor durch Features auf diversen Releases im Umfeld der Geto Boys auffiel. Der Titel ist Programm, der weiße Mann der Teufel und die Lösung tödliche Gewalt. Die Vocals sind relativ mies abgemischt – liegt das etwa daran, dass die Rap-A-Lot-Whiteys Mike Dean (Mix) und Anthony Valcic (Mastering) ihre Finger im Spiel hatten? Nicht doch…

http://www.youtube.com/watch?v=oQjX1h8VuWA

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Convicts – Illegal Aliens (1991)

Im Gegensatz zu Ras Kass, der seine Aussagen mit historischen Bezügen zu unterstreichen versucht, glänzen die Convicts aus 5th Ward, Texas mit perfektionierter Ignoranz. Die Kernaussage dieses Tracks von 1992 liefert Big Mike in Strophe zwei: All of you foreigners can just suck a niggas dick! Nachdem Lord 3-2 sich noch hauptsächlich über mexikanische Immigranten aufregt (Wetbacks ist das Schimpfwort der Wahl), kriegen in der Folge auch Asiaten, Araber und Afrikaner die Verbalkelle serviert. Insbesondere den zugewanderten Nigerianern wird die Rückreise nahegelegt, um in der Heimat wieder „an Lianen zu schwingen“ (Go back to swingin‘ on vines and wearing strings up yo ass). Scheinbar wurde auch im texanischen 5th Ward hin und wieder republikanisch gewählt.

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Askari X – Hide Tonite (1992)

Das ultimative Epos des Hasses ist Hide Tonite von Askari X aus Oakland. Bei der Anfangszeile I’m at the house on the couch and I’m tryin‘ to relax… könnte man noch von einem locker-gechillten Westcoast-Track ausgehen, auch der Beat kommt äußerst unverdächtig daher. Bis, ja bis Askari X die Flashbacks packen. Was nun folgt, ist eine aus der Ich-Perspektive vorgetragene Beschreibung diverser rassistisch motivierter Morde, denen Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fallen, bis die Leichen sich stapeln. Dieser Track zeichnet sich nicht nur durch seine extreme Gewalttätigkeit aus, sondern ist auch komplett frei von Humor oder Ironie – ein Wunder, dass dieses Stück keinerlei Medienecho erzeugte.

Wären Tracks dieser Art heute noch denkbar? Kaum. Zum einen hat sich Rapmusik schon seit Jahren über sämtliche „Rassengrenzen“ hinweggesetzt. Zum anderen ist Rap endgültig im Pop-Mainstream angekommen, so dass auch für ihn gewisse Grundsätze der Political Correctness gelten. Und welcher Rapper käme heute noch auf die Idee, komplette Käuferschichten durch rassistische Äußerungen zu verprellen und dadurch bares Geld zu verlieren?

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