Provokante Zeilen in Rap-Texten sind heute maximal als Füllung für das alljährliche Sommerloch gut, ansonsten hat man sich an sowas gewöhnt. Nicht so vor 25 Jahren in den USA: Um 1990 herum war Rap in seinen härtesten Ausprägungen noch das Furchterregendste, mit dem sich besorgte Eltern, konservative Christen und andere brave Bürger konfrontiert sahen. Einige dieser aufgebrachten Menschen sahen sich genötigt, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen und anstößiger Musik den Krieg zu erkären.
Ein schönes Dokument der aufgeheizten Stimmung damals ist die Diskussionsrunde bei Talkmasterin Oprah Winfrey von 1990: Zu Gast sind Ice-T, Jello Biafra von den Dead Kennedys und Musikkritiker Nelson George – gekommen, um die Kunstfreiheit zu verteidigen und die Doppelmoral der Zensur-Befürworter zu entlarven. Auf der anderen Seite haben wir Tipper Gore, Frau des Ex-Vizepräsidenten Al Gore und Gründerin des Parents Music Resource Centers (dem PMRC haben wir die Kennzeichnung Parental Advisory – Explicit Lyrics zu verdanken). Ihr stehen Ron Williams, Journalist bei der Washington Post sowie Rabbi Abraham Cooper vom Simon-Wiesenthal-Center bei.
Im Mittelpunkt steht die Musik von Ice-T, N.W.A und Guns N‘ Roses, die von Gore, Cooper und Williams exemplarisch für die Verkommenheit der westlichen Welt verantwortlich gemacht wird. Wie üblich werden Textpassagen fröhlich aus dem Kontext gerissen und als Wurzel des Bösen dargestellt. Ob man aus Ice-Ts Zeilen über die Penetration mit einer Taschenlampe und blinkende Brüste (The Iceberg) wirklich die Verherrlichung sexueller Gewalt ableiten muss, sei mal dahingestellt. Ice-T jedenfalls sieht wenig Unterschiede zu dem Vibrator, den die Frau von Ron Williams benutzt. Tipper Gore hatte er bereits auf dem Iceberg-Album rauf und runter beleidigt (Yo Tip, what’s the matter, you ain’t get no dick?) – beste Voraussetzungen für eine leidenschaftliche Diskussion also, die mit hoffnungslos verhärteten Fronten und ordentlich Stimmung im Publikum unterhält.
[youtube width=“700″ height=“400″]http://www.youtube.com/playlist?list=PLQXgYbyloKMNpOlP3SYl3y0et3fds3dxj[/youtube]Sehr empfehlenswert ist der SPIEGEL-Artikel zum Thema, der auch 1990 erschien und sich zum Teil direkt auf die eben gesehene Diskussionsrunde bezieht. Dort lernen wir außerdem, dass Public Enemy polyrhythmische Musik machen, dass Bitch auch mit Hündin übersetzt werden kann und dass man Rappernamen grundsätzlich in Anführungszeichen schreiben muss – siehe dieses schöne Zitat:
[quote cite=“Der Spiegel, 1990″]Da rappt „Eazy-E“ über eine Frau, die er Hündin nennt und die er dann mit seiner Uzi-Maschinenpistole in der Faust liebt. Oder das Rap-Idol Ice-T erzählt das Liebesleben von „Evil-E“, einem Macho, der seinem Mädchen („der Hündin“) eine Taschenlampe in die Vagina stößt.[/quote]Hin und wieder tauchte mal so ein Artikel auf, ansonsten bekam man von der großen Panikwelle in den Staaten hier in Deutschland nicht besonders viel mit. Erst als Ice-Ts Gruppe Bodycount mit Cop Killer einen der kontroversesten Songs der Musikgeschichte rausbrachte und die Hysterie in den USA ihren Höhepunkt erreichte, begannen auch die Medien hierzulande, sich stärker mit der Thematik auseinanderzusetzen.