Im Freestyle-Verhör: Hörzu aus Krefeld bei Reinhold Scopemann (1995)

Freestyle war schon immer eher die Show für die puristisch veranlagte Hip-Hop-Fraktion, nicht zuletzt wegen des Moderatoren-Gespanns Scope und Storm, die beide tief in der Szene involviert waren. Besonders interessant wurde es dann, wenn sich Leute im Studio einfanden, die mit Alter Schule und Co. nichts anfangen konnten – so wie die Gruppe Hörzu aus Krefeld.

1995 sind Hörzu live bei Freestyle, um ihr neues Album Ritter der Schwafelrunde vorzustellen. Platz genommen auf der Couch haben die Rapper Robin S und Funky Phillip, die Scopemann Rede und Antwort stehen. Dieser täuscht mit einem Joke kurz gute Laune an, um dann über die gesamte Interviewlänge seine deutliche Abneigung gegenüber der Crew zum Ausdruck zu bringen: Worte von großkotzig bis diktatorisch fallen, es wird nachgehakt, gebohrt und in Frage gestellt. Quasi die Kölner Keller-Version von Explosiv – der heiße Stuhl mit Snapback-Caps. Der vermutete Diss in Richtung der allseits beliebten Cora E. auf dem neuen Album ist zusätzliches Öl ins Feuer, da helfen auch Schiffmeisters neutral gehaltene Interventionsversuche nicht.

Im Anschluss an das Interview folgte der Track Mach Dich weg in stark gekürzter Fassung. Das fast 8-minütige Original featuret unter anderem H.4.P., Tatwaffe und Def Benski, falls jemand einen Plan hat, wer noch auf dem Original am Start ist, der kann gerne die Kommentar-Funktion nutzen. Aus Zeitmangel gibt es hier nur die zwei Strophen von Hörzu zu hören.

Battle-Rap der lockeren Art – eventuell zu locker für einige Freestyle-Fundamentalisten? Ich schätze, Scopemanns Haltung hat andere Gründe als vermeintliche Cora-E-Disses und die eher lässige Herangehensweise an das Hip-Hop-Ding. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit, genauer gesagt auf die I.M.C. Hip Hop Tapes, eine Tape-Reihe, auf der Untergrund-Rapper aus NRW und anderen Teilen der Republik ihr Können unter Beweis stellten. Hört man das Intro zum zweiten I.M.C.-Teil von 1993, dann wird klar, dass Hörzu es sich bereits hier mit einem großen Teil der Alten Schule verscherzt hatten. Coolerweise wurde das gesamte Tape bei YouTube hochgeladen, also hört selbst:

Die englische Strophe am Anfang verstehe ich nur zur Hälfte, aber ich meine eine Zeile in Richtung Freestyle Studio rauszuhören. Danach nimmt Robin S neben den Absoluten Beginnern nahezu die komplette Alte Schule und mit Britcore auch noch ein ganzes Genre auf’s Korn. Funky Phillip hat kein‘ Bock auf David Pe und disst No Remorze insgesamt und MC Crak persönlich. Wenn ich nicht völlig daneben liege, dann könnte das die Erklärung für das ungewohnt kritische Interview sein, waren doch zwei der im Studio Anwesenden direkt betroffen: DJ Stylewarz, der Resident-DJ der Sendung, stand auch bei No Remorze an den Tellern (und trägt während der Sendung mit Hörzu das Band-Shirt), Scope selbst war als Toy Terminator auf dem Alte Schule Sampler vertreten.

Wie dem auch sei, bildet Euch eine eigene Meinung: Die ges(t)ammelten Werke von Hörzu gibt es hier zu hören, und wer mehr über die I.M.C. Tapereihe wissen will, der kann sich dieses Interview zu Gemüte führen.

5 Gedanken zu “Im Freestyle-Verhör: Hörzu aus Krefeld bei Reinhold Scopemann (1995)

  1. danke für den beitrag!
    tatsächlich dissen beide rapper auf dem tape crak persönlich.
    die glatze aus der klapse war ebenso auf crak gemünzt.
    und jetzt ziehe ich mir den freestyle beitrag rein 😛

  2. Scope als Moderator genauso „kompetent“ wie als Rapper. Freestyle war damals schon eine Sendung mit grossem Unterhaltungswert und ner ordentlichen Portion Fremdschämfaktor für so viel journalistischen Anspruch.

  3. der Witz ist, daß Hörzu von ihrer Herangehensweise eigentlich tendenziell ihrer Zeit eher „voraus“ waren, wenn man bedenkt, wie die Entwicklung der folgenden Jahre zugrunde legt.

  4. habe mir gerade zum ersten mal „Hörzu“ angehört.
    bin seit ca 1990 aktiv hip hop, aber von Hörzu habe
    ich grade das erste mal gehört.
    Also rap-technisch waren Hörzu ihrer zeit doch eher hinterher, deshalb verstehe ich auch nicht was YOWHUT mit „zeit voraus in der Herangehensweise“ meint.
    der Rap ist absolut toy wenn ich es mit sachen von NoRemorze oder Scope oder AC usw. vergleicht.

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