Kontroverse Tracks der 90er (Teil 1): Lyrische Attentate – Politiker im Fadenkreuz

Politiker jeder Rangordnung geben heute zu, hin und wieder auch mal dem Sprechgesang zu lauschen. Das war nicht immer so. Vielmehr begegneten sich Rap und Politik in den 90ern größtenteils feindselig. Bürgermeister, Gouverneure und Präsidenten bekamen den Zorn einer Kultur zu spüren, die sie nicht kontrollieren konnten. Die Verbalattacken reichten vom Partykracher (2 Live Crew – Fuck Martinez) bis zur offenen Anklage (Tragedy the Intelligent Hoodlum – Arrest The President). Einige Rapper schossen schärfer und zeichnten Szenarien, in denen das vorzeitige  Ableben  mehr oder weniger bedeutender Staatsvertreter diskutiert wurde: Hier ist die sprichwörtliche Hitliste mit vier Tracks, die keinen Hehl aus ihrer Message machen.

Non Phixion – I Shot Reagan (1998)

The government is thugs, that’s why the leader caught a slug… Ein Präsident, der zuvor als Schauspieler in vielen Rollen glänzte (unter anderem Seite an Seite mit Bonzo, dem Schimpansen), eine Crackepidemie in den Straßen und ein Geheimdienst mit Blankovollmacht, die Welt einen Schritt näher an den Abgrund zu stoßen: Die guten alten Zeiten. 1981 wurde  Ronald Reagan in Washington, D.C. niedergeschossen – offiziell war es John Hinckley, der den Abzug betätigte, um damit Jodie Foster zu beeindrucken (was übrigens nicht funktionierte). 17 Jahre später übernahmen Ill Bill, Goretex, Sabac Red und Necrodamus aka Necro die verbale Verantwortung.

Paris – Bush Killa (1992)

Hey, Mr. President… Man kann um den heißen Brei herumreden. Oder man macht es weniger subtil wie Paris und widmet dem amtierenden Präsidenten gleich eine musikalische Morddrohung.  Wer sich dann noch im Booklet mit der Waffe hinter dem Baum wartend präsentiert, während George Sr. vorbeischreitet, der rechnet mit einer gewissen Medienresonanz. Der Vorteil für die Journalisten: dank Titel und Foto mussten sie das Lied nicht einmal mehr hören, um ein Fass aufzumachen. Der Vorteil für Paris: dringend benötigte Publicity, musste er das Album Sleeping With The Enemy doch auf seinem eigenen Label Scarface rausbringen – Tommy Boy Records war die Sache etwas zu heiß.

Screwball – Who Shot Rudy (1999)

If you see a devil, smash him… Ex-Präsidentschaftskandidat Rudy Giuliani stand während seiner ersten Amtszeit als Bürgermeister von New York City für eine „Zero Tolerance“-Politik. Diese basierte unter anderem auf der Annahme, durch rigorose Verfolgung „kleinerer“ Delikte wie Graffiti und Cannabisbesitz einen generellen Abschreckungseffekt erzielen zu können. Währenddessen häuften sich Berichte über unverhältnismäßig brutales Vorgehen der Polizei und fagwürdige Tötungen von unbewaffneten Verdächtigen. Screwball aus Queensbridge stellten deshalb die Frage: Who Shot Rudy?

Public Enemy – By The Time I Get To Arizona (1991)

What’s a smiling face, when the whole state’s racist? Fife Symington III, seines Zeichens Gouverneur von Arizona, weigerte sich 1991, den Geburtstag von Martin Luther King als Feiertag anzuerkennen. Chuck D, Flava Flav und Sista Souljah buchten samt Anhang umgehend eine Reise in den Bundesstaat, um den Politiker und weitere Verantwortliche (u.a. auch John McCain) mittels vergifteter Pralinen, Sprengstoff und Nahkampf-Techniken eines besseren zu belehren. Heraus kam ein äußerst kontroverses Video und einer der besten Tracks der Gruppe. Und dank der umstrittenen neuen Einwanderunsgesetze in Arizona sammelt Chuck D heute wieder Vielfliegermeilen.

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